Figurengruppe aus Olympia findet im Wilhelmsgymnasium ein neues Zuhause
Bei den Olympischen Spielen von 1972 gab es ein eigenes Design, das dem heutigen Corporate Design ähnelt. Die heiteren Spiele sollten Läuterung, Postnationalismus und Liberalität der damals jungen Bundesrepublik Deutschland ausdrücken.
Für diese Spiele wurde zudem von Fachleuten ein eigenes antikes Ensemble geschaffen, das etwa 30 Meter umfasste. Diese Figuren, die aus einer Berliner Gipsformerei stammen, sind jedoch nur Rekonstruktionen. Ihnen lagen Relikte der Geburtsstätte der Olympischen Spiele im griechischen Olympia zugrunde, die von deutschen Archäologen im 19. Jahrhundert ausgegraben wurden. Die Zeusstatue, die sich im Innern des ausgegrabenen Tempels befand, entstand im fünften Jahrhundert vor Christus und zählte einst zu den Sieben Weltwundern der Antike. Schöpfer des Westgiebels des Tempels, der dem Gott Apoll gewidmet wurde, war der Bildhauer Phidias.
Die seinerzeit ausgegrabenen Fragmente wurden ergänzt, wodurch der Westgiebel vollständig nachempfunden wurde. Durch diese Rekonstruktion entstand neben moderner Archäologie auch antike Kulturgeschichte mit einer Verbindung zur heutigen Zeit.
Apoll bot durch sein entschlossenes Handeln einem wüsten Kampfgeschehen Einhalt. Ihm gelang es, Chaos zu bändigen und seine göttliche Hilfe sorgte für Ordnung. Diese Botschaft der alten, antiken Welt gewinnt dadurch Aktualität und Verwendung in der heutigen Zeit. Einst war es Chaos des Altertums, so besteht heute eine Verbindung zu den politischen Gegebenheiten des gegenwärtigen Europa.
Schon seit 1976 befand sich die Figurengruppe im Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke in der früheren Meisenstraße (heute: Katharina-von-Bora-Straße). Dort waren sie zunächst im Keller und später auf dem Speicher eingelagert. Die frühere Leiterin des Museums freut sich, dass die Figuren jetzt ein neues Zuhause gefunden haben. Einerseits wird die Figurengruppe an ihrem ursprünglichen Ort im Museum für Abgüsse vermisst. Andererseits ist die Freude groß, dass sie wieder ihrem ursprünglichen Zweck nachkommen und der Bildung dienen. Der neue Ort der Figurengruppe soll zudem eine Verbindung zwischen Einblicken in Kunst und Mythologie des antiken Griechenlands und der jüngeren Geschichte Münchens herstellen.
Zunächst war geplant, alle Figuren der Westfassade des Zeustempels an ihrem ursprünglichen Platz im Deutschen Museum zu lassen. Dort war man jedoch der Meinung, antike Kunst habe nichts mit einem technischen Museum gemein. Das Kampfgetümmel aus Gips gelangte in die Sammlung für Abgüsse der Ludwig-Maximilian-Universität, wo es über 40 Jahre verblieb. Dort habe man immer wieder versucht, Abnehmer für die Figuren zu finden. Diese waren jedoch nicht zu finden.
Jetzt findet die Rekonstruktion dieser Figurengruppe im Wilhelmsgymnasium von Lehel eine neue Stätte.
Zunächst schwebte eine riesige Skulptur einer Frauengestalt des Volkes der Lapithen über den Innenhof des Wilhelmsgymnasiums von Lehel, wo sie im dritten Stock ihren endgültigen Platz haben werden. Der Kran mit der überlebensgroßen Figur schwenkt in Richtung der Fassade, wo die Figur von Arbeitern schon erwartet wird. Diese heben die Statue aus einem Metallkorb und befördern sie mit einem Gabelstapler in das Innere des Gymnasiums. Der Frauengestalt folgen zwanzig weitere Skulpturen, die bis zu 600 Kilogramm schwer sind. Sind alle Figuren vollständig in das Innere befördert, ist der Westgiebel des Zeustempels von Olympia komplett.
Einem ehemaligen Schüler des Gymnasiums gelang es, die Skulpturen in das Gymnasium zu holen. Dem früheren Schüler, der Archäologie studierte, gelang es, Universität, Schulleitung sowie Elternbeirat zu überzeugen. Zudem stand sowieso die Renovierung des Schulgebäudes an. Somit befindet sich eine Nachbildung eines bedeutenden Werkes griechischer Kunst in Lehel.
Nach Ende der Renovierungsarbeiten im Gymnasium können Schüler die wilden Szenen des Kampfgetümmels studieren. Den antiken Bildhauern gelang es darzustellen, wie Lapithen mit Kentauren kämpfen und sich dann betrunken und aufgeheizt, mit Frauen vergnügen. Der Retter Apoll, der das Schlimmste zu verhindern mag, befindet sich in der Mitte.
Antike Skulpturen aus Chaos und wiederkehrender Ordnung, als Rekonstruktion den Olympischen Spielen von 1972 gewidmet: eben Corporate Design von damals.