Ägyptische Kunst in klarer Architektur
Seit 2013 überzeugt das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst München mit einem Neubau im Münchner Museumsviertel, der den Vergleich mit anderen Museen alter Kunst nicht zu scheuen braucht. Hier werden nicht nur hochkarätige Exponate aus fünf Jahrtausenden gezeigt und werden Besucher über interaktive Stationen durch die verschiedenen Epochen geführt, hier finden auch Lesungen, musikalische Darbietungen und Poetry Slams statt.
17 Meter lange Vitrine mit ägyptischer Kunst
Nun ist das Museum, in das man über breite Treppen ins Tiefparterre hinuntersteigt und in hochmodernen Räumen mit luftiger Einteilung und perfekten Lichtverhältnissen von Schmuck über Tongefäße bis zu Stelen und bemalten Sarkophagen antike Kunstschätze entdeckt, um eine Attraktion reicher: Seit Sommer 2018 lassen sich in einer 17 Meter langen Vitrine 700 neu ausgestellte Werke bestaunen, die in Zeitraffer Geschichte fühlbar machen.
Man muss sich das so vorstellen: Pro Meter legt der Besucher 300 Jahre Kulturgeschichte zurück. Zunächst sieht man – anschaulich auf mehreren Ebenen in Unmengen Sand eingebettet – unzählige Tontöpfe. Dann folgen Hieroglyphen; zu diesem Zeitpunkt hat der Besucher schon fünf Meter zurückgelegt. Besonders eindrucksvoll sind die bunt bemalten Sarkophage, die beweisen, welche Meister die Ägypter in ornamentaler Bemalung und detaillierter Darstellung ausdrucksstarker Gesichter waren.
Mehr als 4.000 Jahre ägyptische Geschichte
Eintönigkeit kommt beim Abschreiten der Riesenvitrine nicht auf! Zum einen ist es der Überblick über die Kultur von 4.000 vor Christus bis zum Mittelalter, der den Gang durch die Geschichte lebendig macht. Zum anderen wirkt die Präsentation auf geschwungenen Ebenen aufgelockert und lebendig. Hier hat man auf Wüstenformationen und Erdfarben gesetzt, um die Atmosphäre möglichst authentisch zu gestalten.
Fantastisch sind beispielsweise auf Holz gemalte Porträts gerade Verstorbener, die den aufgeweckten Blick der Dargestellten mit individuellem Gesichtsausdruck und lebendiger Mimik abbilden. Von den geschwungenen Lippen über das gekräuselte Haar bis zu dichten Augenbrauen, Bart und roten Wangen zeugt etwa ein Männerporträt von großer Könnerschaft. Dieser junge Römer beweist, wie römisches Leben Bräuche Ägyptens übernahm, und sich das kulturelle Nebeneinander von Griechen, Römern und Ägyptern beeinflusste. Hier deutet sich hohe Porträtkunst an. Diese sollte sich in den kommenden Jahrhunderten im Wechselspiel mit römischer Kunst weiter verfeinern.
Es ist kein Geheimnis, dass für den Bau der Vitrine und die Ausstellung der Exponate vor fünf Jahren kein Geld da war. Mittlerweile sieht man es aber auch bei der Museumsleitung als Gewinn an, dass sich die Eröffnung des neuen Raumes verzögert hat. Denn so konnten die Exponate sorgfältig gereinigt, restauriert und zum Teil auf Sockel gestellt werden. Neben üblichen Gegenständen, Hausgerät, Werkzeug und blauen Glaskännchen kann man auch skurrile Gegenstände wie eine biertrinkende Maus entdecken.
Von Museumsseite her hat man ein besonderes Augenmerk auf Details der präsentierten Objekte gelegt. Teils ineinander liegend, teils stehend präsentiert man dicke Alltagsgegenstände aus Keramik in Sand lebensnah und anschaulich. Wie das gesamte Museum überzeugt auch die neue Vitrine mit perfekten Lichtverhältnissen und viel Glas, sodass die Gegenstände von mehreren Seiten bestaunt und entdeckt werden können.
Wie ließ sich nun dieses neue Highlight im Ägyptischen Museum finanzieren?
Sowohl der Freundeskreis des Hauses, als auch der Freistaat Bayern waren Geldgeber, um Besuchern diese bis in die frühislamische Zeit währende Kunstreise zu ermöglichen.
Passend zur modernen, übersichtlichen Präsentation gibt es insgesamt fünf Touchscreen-Stationen, die einen über die Details der Objekte und Epochen ausführlich informieren. Der erste Moscheebau Afrikas oder die antiken Pyramiden? Per Touch lässt sich das Wichtigste schnell, aber nicht oberflächlich, sondern fundiert erfahren.
Die Bedeutung von Krokodilen im Alten Ägypten ist bekannt. So wurden mittels Krokodilszauber magische Formeln gesprochen. Verstorbene bekamen Krokodilsfiguren aus Wachs als Grabbeigabe oder das Krokodil war selbst ein Gott: Gott Sobk hatte den Kopf eines Krokodils. In der neuen Vitrine entdeckt man zusätzlich auch ein Kanu mit Krokodilskopf, das dabei ist, den Verstorbenen ins Jenseits zu befördern.
Ob bandagierter Menschenschädel ohne Kiefer, sitzende Figuren oder Marmorschalen: Die neue Ausstellungsfläche überzeugt mit Vielfalt, perfekter Präsentation und gutem Informationsmaterial, das alle Werke mit einbezieht.
Wer die alten Räume des Ägyptischen Museums in der Residenz kannte, kann im neuen Ägyptischen Museum an der Gabelsbergerstraße nur staunen. Alles ist hier klar, modern und luftig. Mittlerweile ist das gesamte Museum auch barrierefrei.
Überdimensionale Tierköpfe beeindrucken ebenso wie filigraner Schmuck, Glasgefäße und Stelen. Laufwege, Ausblicke in den Innenhof, lichtdurchflutete Glasvitrinen und Schubkästen, in denen man auch alte Stoffe bestaunen kann, machen den Besuch dieses Museums dank der neuen Ausstellungsfläche zum Muss für Münchner und Touristen.