Aus Liebe zur Kunst – Peggy Guggenheim
Am 26. August 2018 wäre die berühmte amerikanische Kunstsammlerin und Galeristin Peggy Guggenheim, die zu den wichtigsten Kunstmäzenen des 20. Jahrhunderts gehörte, 120 Jahre alt geworden. Ihre Sammlung moderner Kunst begann einst mit Werken berühmter Künstler wie Constantin Brancusi, Piet Mondrian und Pablo Picasso.
Kunst in der Wiege – Guggenheim als traditionsreiche Kunstsammler
Geboren wurde sie am 26. August 1898 als Marguerite Guggenheim in New York als eine von 3 Töchtern des Geschäftsmannes Benjamin Guggenheim und seiner Ehefrau Florette Seligheim. Ihr Vater stammte aus einer der reichsten Industriellendynastien in Amerika. Ihr Onkel Solomon R. Guggenheim gründete das Museum “Solomon R. Guggenheim Foundation” in New York. Die kleine Peggy wuchs in wohlhabenden Verhältnissen und mit gesellschaftlichen Konventionen auf, über die sie sich später geradezu provokativ hinwegsetzte. Ihr Vater war im April 1912 einer der Passagiere der Titanic und starb beim Versuch, Frauen und Kinder zu retten. Durch seinen Tod erbte Peggy Guggenheim ein Millionenvermögen, aber der Tod ihres geliebten Vaters war ein schwerer Verlust in ihrem Leben und wie sie in ihren Memoiren schrieb, suchte sie ihn in all ihren Liebschaften. Nachdem sie 1919 volljährig wurde, nahm sie das Erbe an und begann 1920 ein Praktikum in der Buchhandlung “Sunrise Turn” an, wo sie einige Künstler und Intellektuelle kennenlernte.
Als sie 1921 nach Paris ging, lernte sie dort auch wieder viele Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle kennen. Im Montparnasse-Viertel lebte sie ein freies Leben jenseits von konventionellen Zwängen. Paris war in den 20-er Jahren eine künstlerische und intellektuelle Metropole in Europa. 1922 heiratete sie ihren ersten Ehemann Laurence Vail, einen französischen Maler und Bildhauer, und bekam mit ihm ihre beiden Kinder Sindbad und Pegeen, die später selbst Künstlerin wurde. Nach 8 Jahren endete diese Ehe, weil ihr Mann unter Alkoholeinfluss zu Gewalttaten neigte. Darüber hinaus hatte sie sich in den englischen Schriftsteller John Holmes verliebt, der 1934 starb.
Ein farbenfrohes Leben – Peggy Guggenheim’s Liebe zur Kunst
1937 hatte sie eine kurze, leidenschaftliche Affäre mit dem irischen Schriftsteller Samuel Beckett, der sie inspirierte, Kunst zu sammeln. Sie folgte seinem Rat und schaffte es mit ihrem untrüglichen Gespür für besondere zeitgenössische Kunstwerke, 1938 in London eine Galerie zu eröffnen. In Zeiten, als in Deutschland viele Werke von Expressionisten und Surrealisten zu “entarteter Kunst” erklärt wurden, stellte sie Bilder von Max Ernst, Wassily Kandinsky, Jean Cocteau, Henri Laurens und Jean Arp aus. Aber die Galerie musste schon ein Jahr später wieder schließen, weil sie keine Gewinne erwirtschaftete.
Danach ging sie zurück nach Paris und konnte am Anfang des Zweiten Weltkriegs ihre Sammlung beträchtlich erweitern, weil viele bekannte Künstler wegen der drohenden Einmarschierens der deutschen Wehrmacht Paris verlassen und ihre Bilder verkaufen wollten. Auf Empfehlung eines Freundes, des französisch-amerikanischen Malers Marcel Duchamp und des jungen kalifornischen Kunsthändlers Howard Putzel kaufte sie für unter 40.000 Dollar den Basisbestand ihrer umfangreichen Sammlung moderner Kunst, darunter Werke von Kandinsky, Paul Klee, Max Ernst, Mirò und Braque und Giacometti. Zu dem Zeitpunkt war ihr noch gar nicht bewusst, dass sie diese Kunstwerke zu Schleuderpreisen angekauft hatte. Später sagte sie dazu, dass sie einfach bezahlt habe, was man ihr sagte.
Um 1940 mussten viele Künstler emigrieren, darunter Marc Chagall und Jacques Lipchitz. Peggy Guggenheim half auch dem Künstler Max Ernst, dessen Bilder als entartete Kunst eingestuft wurden, bei der Ausreise und dem Schriftsteller André Breton mit seiner Familie. Auch Peggy Guggenheim selbst, die jüdische Wurzeln hatte, musste mit ihrer Kunstsammlung Frankreich verlassen. Die Kunstwerke wurden als Hausrat getarnt nach Übersee verschifft und sie selbst flog im Juli 1941 mit Max Ernst, der mit ihr befreundet war, nach New York. Im Dezember 1941 heirateten die beiden. Aber auch diese Ehe war nicht glücklich. Es kam wiederholt zu Streitereien und Szenen in der Öffentlichkeit und Peggy Guggenheim suchte Trost bei ihrem alten Freund Duchamp, griff vermehrt zu Alkohol und Tabletten.
Mäzenin, Galeriebesitzerin und Liebhaberin abstrakter Kunst
Ungeachtet ihres ausschweifenden Lebenswandels erlebte zeitgleich ihr Kunsthandel mit ihrer berühmten Kunstgalerie “Art of this Century” eine Blütezeit. Verschiedene Künstler wie Jackson Pollock, Robert Motherwell, Meret Oppenheim, Ad Reinhardt und Louise Nevelson erlebten dort ihren Durchbruch. Und mit der surrealistischen Kunst von Yves Tanguy und den Mobiles von Alexander Calder zeigte Guggenheim ihre Vorliebe für den Surrealismus und die abstrakte Malerei. Zu diesem Zeitpunkt verkaufte sie schon fast täglich ein Bild.
1948 überquerte ihre Sammlung erneut den großen Teich aufgrund einer Einladung zur Biennale nach Venedig. Das war der Startschuss, nach Europa zurückzukehren. Die Ausstellung war ein Riesenerfolg. Im griechischen Pavillon wurden abstrakte Expressionisten, Surrealisten, Dadaisten und Kubisten gezeigt. Das war völlig neu auf einer Biennale. In der Ausstellung wurden 136 Kunstwerke aus ihrer privaten Sammlung gezeigt, Bilder von Max Ernst und Jean Arp, Mobiles von Piet Mondrian und Skulpturen von Alberto Giacometti. Danach zog sie mit ihrer berühmten Sammlung an den Canale Grande und fand in ihrem venezianischen Palazzo ein letztes Zuhause, obwohl sie auch dort ihre Rastlosigkeit und innere Unruhe nicht ablegen konnte. Biographen beschreiben Peggy Guggenheim als Süchtige, die süchtig nach Kunst und Männern war. Ihr Lebensstil war sehr provokativ. Die eher herbe als hübsche Peggy Guggenheim wollte alles und immer noch mehr. Sie war in allem maßlos: in ihren Ansprüchen ebenso wie in ihrer Großzügigkeit. Sie bereute nichts, sagte später, sie habe immer getan, was sie wollte, und sich nicht um die Meinung anderer Menschen gekümmert.
Peggy Guggenheims Leben wurde bestimmt von der Kunst und ihrem Verhältnis zu den Künstlern. Sie hatte enge Kontakte zu vielen zeitgenössischen Künstlern ihrer Zeit, viele davon waren zeitweise ihre Geliebten oder sogar Ehemänner wie Max Ernst, den sie durch ihre Liebe vor den Nazis rettete. In ihrem Testament bestimmte sie, dass ihre Kunstsammlung, die Peggy-Guggenheim-Foundation, nach ihrem Tod zur Solomon R. Guggenheim Foundation gehören sollte, weil ihr Onkel sie verstand und sie nicht wie viele ihrer Familienangehörigen für verrückt hielt. Die einzige Bedingung war, dass die große Ausstellung in Venedig bleiben sollte.
Peggy Guggenheim Stiftung
Am 23. Dezember 1979 starb Peggy Guggenheim in Campo San Pierro in Venedig und hinterließ der Nachwelt ihre 1951 am Canale Grande gegründete Peggy-Guggenheim-Foundation mit vielen Kunstschätzen der Klassischen Moderne und einem wunderschönen Garten mit Skulpturen, wo sie in der Nähe ihrer Hunde bestattet ist. Diese Kulturstätte wurde 1980 restauriert und wieder eröffnet.
Die Guggenheim-Foundation ist seit langem ein beliebter Anziehungspunkt für viele Kunstbegeisterte, die mit der auf der Biennale gezeigten Kunst der Gegenwart nicht so viel anzufangen wissen. Nach einem anstrengenden Tag mit vielen Pavillons können sie hier dann abends ihrer Sehnsucht nach Ästhetik nachgehen und all die Werke der Klassischen Moderne betrachten, im Garten der Kunstsammlerin sitzen und sich vorstellen, wie die exzentrische Amerikanerin sich jeden Tag in ihrer privaten Gondel durch die Lagunen fahren ließ.